Von Carmen Radeck
Duisburg. Die Idee zu mifitto entstand, als Thomas Harmes und Schwager Dominic Köhler beim gemeinsamen Grillen auf der Terrasse beschlossen, unbedingt etwas gegen die ständigen Schuhretouren in ihren Familien zu unternehmen. Besonders Kinderschuhe wanderten oftmals wieder zurück in die Kartons. „Da mussten wir schleunigst was tun, sonst wären wir nur noch die Paketboten“, erzählt Thomas schmunzelnd.
Mit Online-Schuhgrößenberater die Retourenquote senken
Dass der Schuhhandel besonders im eCommerce mit hohen Rücksendequoten zu kämpfen hat, weiß Thomas Harmes aber nicht nur aus seiner privaten Erfahrung. „In meiner Familie blicken wir auf eine 80-jährige Schuhtradition zurück“, sagt der Krefelder, „vom Schuhmacher bis jetzt zu den neuen Technologien“. Letztere sind es, an denen Thomas Harmes und seine beiden Mitgründer Dominic Köhler und Dominik Lessel fleißig und innovativ mitentwickeln. Mit ihrer Technologie der Online-Schuhgrößenberatung, die für jeden Fuß den passenden Schuh findet, wollen sie die Retouren auf dem Schuhsektor deutlich minimieren.
Unternehmensgründung gar nicht auf dem Zettel
Dabei hatte Thomas eigentlich gar nicht auf dem Zettel, selbst ein Unternehmen zu gründen. Nach vielen Jahren als Bezirksfilialleiter bei Intersport Voswinkel wechselte er zu SportScheck, war dort zuletzt Geschäftsleiter in Köln und wollte dort auch gern weiter seinen Berufsweg gehen. „Dann kam mir allerdings die Idee dazwischen“, sagt Thomas. Und diese Idee ließ ihn nicht mehr los.
In ehemaliges Kabelwerk ein Duisburg-Wanheimerort eingemietet
Ich besuche Thomas und sein Team in ihren Räumen auf einem Industriegelände in Duisburg-Wanheimerort. Dort hat sich mifitto in ein ehemaliges Kabelwerk eingemietet. Wir laufen durch lange Flure, an den Zimmertüren stehen noch die Namen der damaligen Werksmitarbeiter. Wir machen es uns in einem der vielen Büroräume bequem. Die Einrichtung ist aufs Wesentliche reduziert: ein Tisch, zwei Stühle, die Kaffeemaschine steht auf der Fensterbank. „Wir hatten ursprünglich gar nicht vor, hier zu bleiben“, erklärt Thomas die provisorische Möblierung.
Den Plan haben sie inzwischen zwar geändert, doch die Einrichtung ist auf der Prioritätenliste eher unten angesiedelt. Das mifitto-Team ist vollauf damit beschäftigt, ihre Technologien weiterzuentwickeln und neue Handelspartner von ihrem Service zu überzeugen.
„Das Problem ist, dass es keine einheitlichen Schuhgrößen gibt“
Besonders bei Schuhen zählen die Retouren zu den größten Herausforderungen im Online-Handel. „Das Problem ist, dass es keine einheitlichen Schuhgrößen gibt“, sagt Thomas. Ist bei dem einen Schuhmodell Größe 42 die richtige Wahl für einen Fuß, passt bei einem anderen Modell vielleicht Größe 41 besser. Hinzu kommt, dass verschiedene Schuharten – ob Fußball oder Business-Schuh – unterschiedlich getragen werden, zum Beispiel mehr oder weniger Spielraum an der Schuhspitze benötigen.
Damit der passende Schuh bei der Lieferung auch dabei ist, bestellen Kunden deshalb gleich mehrere Größen. Das erhöht die Rücksendequote, belastet die Umwelt und ist sowohl für den Händler als auch den Kunden mit extra Aufwand verbunden. Genau das Problem wollten Thomas und seine Gründerkollegen angehen und eine Technologie entwickeln, die für jeden Fuß die passende Größe eines Schuhmodells ermitteln soll.
Daten sammeln für Algorithmus
Was sie dazu brauchten, waren jede Menge Daten. Noch zu seiner Zeit bei SportScheck fing Thomas an, die Daten der ausgemessenen Kunden-Füße mit den tatsächlich gekauften Schuhen in einer Datenbank zusammenzufassen. Aus den Daten sollte ein Algorithmus erstellt werden, um Fußgröße und passendes Schuhmodell möglichst exakt zuzuordnen.
„Wir wussten schnell, dass wir eine App entwickeln wollten, um die Fußmaße des Kunden zu bestimmen“, sagt Thomas. Mit dieser Idee und einer ersten Datenbank sprachen sie gleich schon mal ein paar Unternehmen aus der Schuhbranche an. Unter anderem Otto, einem derzeit größten Online-Versandhändler in Deutschland. Dort zeigte man sich sofort an der Idee interessiert. „Mit ein paar Schuhen im Schlepptau sind wir dann nach Hamburg gefahren und haben unsere Idee dort präsentiert“, erzählt Thomas. Das war im März 2012, nur wenige Monate nach der offiziellen Gründung von mifitto.
Try and Error bei der App-Entwicklung
Für die Entwicklung der App, mit der Kunden ihr individuelles Fußmaß ermitteln können, mussten die drei Gründer viel ausprobieren. „Das war doch ein längerer Entwicklungsprozess“, sagt Thomas. Experimentiert wurde mit Schablonen und verschiedenen Druckern, was aber alles nicht richtig funktionierte. Eine Lösung haben sie aber schließlich doch gefunden: die Fotomess-App. Sie kann inzwischen im AppStore aufs iPhone geladen werden.
Musste man für die erste App-Version noch seinen Fußumriss auf ein Blatt Papier abzeichnen, braucht man bei der neuen Version nur noch den Fuß auf das DinA4-Blatt zu stellen und abzufotografieren. Die App ermittelt die Länge und Breite des Fußes. Diese gibt man dann beim Partnershop in den mifitto-Größenberater ein. Der empfiehlt dann die passende Größe für den gewünschten Schuh. Wer kein Apple-Gerät nutzt, kann das Foto auch per E-Mail an mifitto schicken oder den Fuß per Hand ausmessen.
Neben der Entwicklung der App, musste nun noch eine Möglichkeit gefunden werden, möglichst viele aktuelle Schuhmodelle der Saison in einem kurzen Zeitraum exakt zu messen.
10.000 Schuhe pro Tag durchs hauseigene Röntgengerät
Für die Entwicklung dieser Technologie konnte mifitto das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) als Partner gewinnen. Keine schlechte Wahl – das IIS hat seiner Zeit das mp3-Format entwickelt. 5.000 verschiedene Schuhmodelle sollten für einen ersten Testlauf in einem Onlineshop vermessen werden – in jeweils 8 Größen. Macht 40.000 Schuhe. Wie vermisst man solch einen Haufen Schuhe ohne sie umständlich aus den Kartons auspacken zu müssen? Ganz klar, mit einem Röntgengerät.
Inzwischen sind Thomas und ich auf dem Weg nach unten in eine der Lagerhallen, die mifitto zusätzlich angemietet hat. Hier steht der Stolz des jungen Unternehmens: Der hauseigene Computer-Tomograph. „Damit können 10.000 Paar Schuhe pro 24 Stunden geröntgt werden“, sagt Thomas. Mit den Röntgenbildern wird dann das Innenvolumen gemessen. Die Software dazu hat Mitarbeiter Dr. Michael Müller für mifitto entwickelt.
„Otto als erster Testkunde war für uns der Eisbrecher“
Nach Otto folgten weitere interessierte Händler. „Otto als ersten Testkunden gewonnen zu haben, das war schon ein Kracher“, sagt Thomas, „ein richtiger Eisbrecher.“ Auch QVC, BILD Shop, Melvin & Hamilton, Tennis Point und Brands4Friends wollten den Online-Größenberater testen. Doch nicht nur der Online-Handel, auch der stationäre Einzelhandel fragte nach einer Version des Größenberaters an, um ihn für die Beratung bei Funktionsschuhen, wie Skischuhen oder Wanderschuhen einzusetzen.
3D-Scanner für den stationären Handel
Fünf Monate hatten die mifitto-Gründer Zeit, an einer Technologie für den stationären Handel zu entwickeln. „Das war schon eine harte Nuss, wir waren zu der Zeit noch zu dritt“, erzählt Thomas. Doch irgendwie schafften sie es gemeinsam mit Fraunhofer Ingenieuren pünktlich zur Eröffnung des neuen SportScheck Flagship-Stores in München einen 3D-Scanner zu entwickeln, mit dem man in wenigen Sekunden Fuß und Bein messen kann. 1.300 Skischuhe wurden ebenfalls dreidimensional gemessen. Seit November 2013 hilft der 3D-Scanner im größten SportScheck-Haus Deutschlands bei der Suche nach dem passenden Schuh.
Immer neue Ideen: Kameraanlage für multiperspektivische Produktfotos
Aber nicht nur in Sachen Messung arbeiten die inzwischen acht Mitarbeiter des Duisburger Startups an innovativen Ideen. In einem Raum neben dem Röntgengerät wartet schon der nächste Prototyp made by mifitto und ein weiterer Stapel Schuhkartons. Der linke Schuh des Modells, mit dem Mario Götze Deutschland vor ein paar Monaten zum Weltmeister schoss, steht auf einer runden Glasscheibe, auf die eine High-End Mittelformat Kamera gerichtet ist. „Das ist ein Prototyp für unsere Kameraanlage“, erklärt Thomas.
Wenn die neuesten Schuhmodelle der Saison schon mal alle da sind, dachten sich die mifitto-Gründer, kann man doch gleich auch Produktfotos davon schießen – und zwar so, dass sie dirket im Onlineshop von jeder erdenklichen Seite betrachtet werden können. An einem Online-Portal, über das sie zukünftig die Bilder verkaufen wollen, arbeitet das Startup gerade zusammen mit einem Handelspartner.
Erst Bootstrapping, dann Venture Capital
Wie finanziert man so viel Innovation? „Zwei Jahre lang haben wir gebootstrappt“, sagt Thomas, „mit eigenen Mitteln und denen von Family and Friends.“ Seit Oktober 2013 beteiligt sich zudem die Fraunhofer Gesellschaft als Mitgesellschafter und Investor an dem Duisburger Unternehmen.
Für die Zukunft haben sich die mifitto-Gründer einiges vorgenommen. Stecken sie gerade mitten in der Akquise für die kommende Frühjahr/Sommer-Saison und den Vorbereitungen zur Liveschaltung auf einigen größeren Online Portalen, arbeiten sie parallel schon an der Weiterentwicklung ihres Unternehmens. Schuhgrößen waren erst der Anfang, jetzt steht der restliche Bekleidungssektor auf dem Programm.
[…] anderer Art als die zwischen Kopf und Bauch ging es bei Thomas Harmes. Mit seinem Duisburger Startup Mifitto befindet er sich zur Zeit auf der Erfolgsspur, doch um ein Haar hätte es das junge Unternehmen in […]
[…] Jahre ist es her, dass ich Mifitto zum ersten Mal an ihrem Standort im Duisburger Industrieviertel Wanheimerort besucht habe. In dem Gebäude einer ehemaligen Kabelfabrik hatte sich das Startup erst nur […]