Ah Design: Mode mit Mut zu Farbe und Figur
Knapp sechs Jahre ist es her, dass Anna Hörling nach Schwangerschaft und Babypause vor der Frage stand, wie es beruflich mit ihr weitergeht: „Da habe ich mir gedacht, dass ich einfach das mache, was ich immer gemacht habe: nähen!“ Klingt unspektakulärer als es tatsächlich ist; denn die gelernte Schneiderin und studierte Kostüm- und Bühnendesignerin schneidert nicht nur vorzugsweise Kostüme und Ballkleider, sie entwirft sie auch.
Markenzeichen: farbenfroh, extravagant, üppig. Ihre Zielgruppe: „reale Frauen“, wie Anna Hörling sie nennt. Frauen jenseits der Topmodelmaße, die zu ihren Kurven stehen. „Was ich in Modeläden finde, das sind Zelte“, hört Anna Hörling als Standardklage ihrer Kundinnen. Doch egal ob großer Busen, Bauch oder Po, „man muss nicht aussehen, wie eine Litfaßsäule“, meint die Designerin. „Es kommt darauf an, den Blick auf die Körperteile zu lenken, die der Frau an sich selbst gefallen.“
Mit Leidenschaft fürs Opulente
Ihre Leidenschaft fürs Opulente entdeckte die gebürtige Bochumerin, als sie nach ihrer Lehre als Schneiderin für ein Projekt zum 40. Geburtstag der Dortmunder Mozart-Gesellschaft ein Kostüm im Rokoko-Stil entwarf. „Da war mir klar: Ich muss Kostüm- und Bühnendesign studieren“, erzählt Anna Hörling lachend. Nicht irgendwo: „London, da wollte ich hin!“ Nach ihrem Studienabschluss kehrte sie nach Dortmund zurück, um dort als Ausstattungsassistentin am Theater zu arbeiten.
Ganz nebenbei begann sie eigene Mode- und Kostümdesigns für Hochzeiten und Bälle zu entwerfen – auch heute noch ihr Hauptgeschäft. „Der erste Auftrag einer Kundin ist meistens für einen besonderen Anlass“, sagt Anna Hörling. Wieder kommen die Kundinnen dann für etwas „Alltägliches“. Wie besonders das Alltägliche aussehen kann, erkennt man mit einem Blick ins Schaufenster des kleinen Ateliers, das man eher in Metropolen wie Hamburg oder Berlin vermuten würde und nicht mitten in Dortmund – wenn auch dort im schmucken Kreuzviertel.
„Als ich das Atelier eröffnet habe, sagten mir viele, wie mutig sie das fänden“, erzählt die 36-Jährige. Doch sich von Ängsten und Zweifeln leiten zu lassen, liegt nicht in Anna Hörlings Naturell. Sie handelt am liebsten spontan. „Viele zerdenken immer alles und haben Angst, alles zu verlieren“, meint sie. Dabei sei die Vorstellung meist schlimmer als die Realität.
Glückliche Kundinnen wichtiger als Geld
Auch wenn Anna Hörling mit ihrem jungen Unternehmen schon durch ein paar sehr reale Krisen geschlittert ist. „Am Anfang lief alles supergut“, erzählt die Designerin, „mein Bekanntheitsgrad stieg, nur die Zahlen stimmten nicht“. Um wieder auf Kurs zu kommen, holte sie sich Hilfe bei den Wirtschaftssenioren „Alt hilft Jung“, eine gute und ermutigende Erfahrung, wie sie sagt. Denn eigentlich habe sie alles richtig gemacht, meinte ihr Berater. Sie würde für ihre Leistungen lediglich zu wenig berechnen. „Ich bin halt nicht die geborene Geschäftsfrau“, sagt Anna Hörling augenzwinkernd. Ihre Kundinnen glücklich zu machen, sei ihr oft wichtiger als das Geld.
In diesem Jahr feiert sie fünfjähriges Bestehen ihres Ateliers. Stammkundinnen über die Dortmunder Stadtgrenzen hinaus lassen sich von ihr einkleiden. Generell würde sich die Modedesignerin mehr Mut zur Farbe wünschen: „Immer grau, beige oder creme – deutsche Frauen fallen nicht gern auf.“ Schade, findet Anna Hörling, denn mit Mut zu Farbe und Figur bekommt frau viel mehr Komplimente.