Ruhrgründer der Woche ist diesmal Philipp Süß.
Ich habe ihn über das Netzwerk der Work Inn-Coworking Community kennengelernt. Mit seinem 3D-Druck-Unternehmen Süß & friends sitzt er am Standort Mülheim an der Ruhr und hat dort eigene Büroräume für sich und sein Team.
Im Interview erzählt er, worauf er sich mit seinem Service spezialisiert hat, wie er durch die Coronakrise kommt, was seine größten Herausforderungen und Erfolge waren und was er für die Zukunft plant.
Philipp Süß: „Mich hat 3D-Druck als Bindeglied zwischen der digitalen und der physischen Welt schon immer fasziniert“
Hallo Philipp, welche Geschäftsidee steckt hinter Deinem Business und was macht es einzigartig?
Wir lösen ein großes Problem, das produzierende Unternehmen in Deutschland haben, nämlich die hohen Produktionskosten bei kleinen Stückzahlen.
Das machen wir, indem wir Unternehmen befähigen, moderne industrielle 3D-Druck Technologien in ihre Produktions- und Montageprozesse sowie Ersatzteilstrategien zu integrieren.
Dabei übernehmen wir auch die für 3D-Druck optimierte Entwicklung von Produkten und technischen Bauteilen mit neuen Konstruktionsmethoden.
Um in der Industrie mit 3D-Druck erfolgreich zu sein, benötigt man ein sehr spezifisches Fachwissen, spezielle digitale Werkzeuge und natürlich eine enorme Erfahrung auf dem Gebiet.
Diese sehr spezifische Fachkompetenz als unabhängige Dienstleistung gibt es bei Süß & friends.
„Viele 3D-Drucker werden nur als bessere Drehbank verstanden und dann in bestehende Unternehmensprozesse gezwängt, anstatt das wirkliche Potential zu nutzen.“
Philipp Süß, Süß & friends
Was ist die Geschichte hinter Deinem Unternehmen? Wie kamst Du auf die Idee und was hat Dich dazu getrieben zu gründen?
Mich hat 3D-Druck als Bindeglied zwischen der digitalen und der physischen Welt schon immer wahnsinnig fasziniert.
Denn diese Technologie verbindet die Errungenschaften digitaler Prozesse mit realen Produkten.
Während meines Maschinenbaustudiums habe ich mich stark mit dieser Technologie beschäftigt und später auch ein Forschungsprojekt zu 3D-gedruckten Ersatzteilen geleitet.
Die eigentliche Idee zur Gründung entwickelte sich aber erst nach und nach, während ich in der Industrie an verschiedenen 3D-Druck Projekten gearbeitet habe.
Obwohl viele Unternehmen begriffen haben wie wichtig 3D-Druck für Sie ist, fehlt einfach das Know-How für eine erfolgreiche Einführung der Technologie.
Häufig wird leider der enorm positive Impact, den der 3D-Druck auf Unternehmensprozesse haben kann nicht gesehen.
Viele 3D-Drucker werden nur als bessere Drehbank verstanden und dann in bestehende Unternehmensprozesse gezwängt, anstatt das wirkliche Potential zu nutzen.
Die praktisch unendliche Geometriefreiheit des 3D-Drucks bleibt meist ungenutzt, weil die nötige Kreativität fehlt und man zu sehr in alten Fertigungstechniken denkt.
2018 habe ich mit Süß & friends eine Gesamtlösung aus verschiedenen technischen Dienstleistungen geschaffen, damit Unternehmen erfolgreich in den industriellen 3D-Druck starten oder bestehende Drucker besser nutzen.
Erzähl etwas über Deinen Background und wer sonst noch Teil Eures Teams ist. Wie habt Ihr Euch gefunden?
Ich bin fest überzeugt, dass der Ingenieur ein zutiefst kreativer Beruf ist.
Grade im 3D-Druck arbeiten wir mit vielen neuen Methoden wie Bionik, Machine Learning basierte Konstruktion oder generatives Design.
Das wichtigste ist aber, die Blockaden konventioneller Konstruktionsstrategien und Denkweisen zu brechen und sich frei zu machen für neue, unkonventionelle Lösungen.
Ich habe zum Glück mittlerweile zwei Mitarbeiter gefunden die dieses Mindset teilen und mit ihrer Erfahrung und speziellen Fähigkeiten das Leistungsspektrum von Süß & friends enorm bereichern.
Angesichts all der Krisen und Veränderungen in der Welt, wie siehst Du Deine Rolle als Unternehmer und was möchtest Du bewegen?
Die Corona-Krise hat der sehr eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig Flexibilität und die Bereitschaft zur Veränderung ist. Natürlich war das vergangene Jahr, gerade für uns als junges Unternehmen, unglaublich turbulent.
Zum Glück ist gerade der 3D-Druck eine Technologie, die Unternehmen dabei hilft mehr Unabhängigkeit in ihren Lieferketten zu bekommen. Dennoch sind natürlich auch strategische und langfristige Projekte erst einmal auf Eis gelegt worden.
Wir hatten das Glück, dass einer unserer Stammkunden, ein Hersteller von Verpackungsmaschinen, bereits im Frühjahr seine Maschinen zur Maskenproduktion adaptiert hat. Mit 3D-Druck konnten wir helfen, das zu beschleunigen.
Als im Januar die FFP2-Maskenpflicht kam, haben wir ein kleines Hilfsmittel entwickelt, um Chaos bei den vielen Masken und Mehrfachverwendung zu vermeiden. Wir haben uns entschieden, die 3D-Druck Datei für unseren FFP2-Manager kostenlos auf unsere Internetseite zu stellen, damit ihn jeder selber ausdrucken kann.
Ich hoffe so können wir die Gesellschaft etwas zurückgeben.
Corona hat unsere Vertriebs- und Marketingstrategie völlig auf den Kopf gestellt.
Philipp Süß, Süß & friends
Was war die bisher größte Herausforderung für Dich als Unternehmer und wie hast Du sie gemeistert?
Corona hat unsere Vertriebs- und Marketingstrategie völlig auf den Kopf gestellt.
Für uns ist es immer besonders wichtig, den Menschen zu zeigen, dass 3D-Druck mehr ist als einfache Plastikteile. Aus Stahl, Aluminium, Keramik oder Hochleistungskunststoffen lassen sich wirklich stabile Bauteile produzieren.
Das erlebbar zu machen geht natürlich am besten indem man den Leuten echte 3D-gedruckte Maschinenteile in die Hand gibt und auch die Drucker zeigt.
Dafür haben wir unseren Showroom in Mülheim und besuchen regelmäßig Messen und Konferenzen. Das war während Corona natürlich nicht möglich.
Um 3D-Druck auch digital erlebbar zu machen, haben wir jetzt einen virtuellen Firmenrundgang, die Süß & friends World, inklusive Ausstellungsraum, Besucherwerkstatt und vielen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten geschaffen.
Das ganze ist im Stil eines Multiplayer Rollenspiels der 90er Jahre gestaltet und macht daher auch echt Spaß.
Und was war Dein größter Erfolg?
Wir haben dieses Jahr, unterstützt durch das Land Bayern, für einen Kunden ein echt innovatives neues Medizinprodukt entwickelt.
Dabei handelt es sich um einen tragbaren, medizinischen Verdampfer, mit dem die Wirkstoffe natürlicher Öle direkt in die Lunge inhaliert werden können. Das ganze ist in der Form einer E-Zigarette gehalten, damit die Patienten das Gerät auch mobil nutzen und besser in ihren Alltag integrieren können.
Das Gehäuse und einige technische Komponenten werden im 3D Drucker hergestellt. Die ersten Prototypen wurde gerade gefertigt, um Versuchsreihen und Kundenbefragungen durchzuführen sowie Freigabeprozesse zu beschleunigen und eine weitere Investoren zu überzeugen.
Das war und ist ein echt spannendes Projekt das wir auch auf unserem Blog begleitet haben.
Was steht als nächstes bei Euch an?
Wir wollen uns noch stärker auf die Entwicklung von Funktionsgeometrien mit Hilfe künstlicher Intelligenz konzentrieren.
Dabei geht es um Strukturen die ein Mensch niemals selber entwerfen könnte. Typische Anwendungen sind Leichtbaustrukturen, Wärmetauscher oder auch Schuhsohlen mit ganz individuellen Härtezonen.
Zusätzlich bauen wir gerade eine eigene Abteilung für die Entwicklung 3D gedruckter Elektronikgehäuse auf.
Ich erlebe momentan ein großes Bedürfnis von Softwareunternehmen, die für ihre digitalen Lösungen sehr individuelle Funktionsgehäuse benötigen.
„Das Ruhrgebiet war schon immer eine hochinnovative Region. Viele Menschen vergessen, dass die Idee, Stahl dort zu produzieren, wo die Kohle gefördert wird, die vielleicht innovativste Idee der Industriegeschichte war.“
Philipp Süß, Süß & friends
Ist das Ruhrgebiet ein guter Ort zum Gründen? Warum?
Auf jeden Fall. Das Ruhrgebiet war ja schon immer eine hochinnovative Region. Viele Menschen vergessen, dass die Idee, Stahl dort zu produzieren, wo die Kohle gefördert wird, die vielleicht innovativste Idee der Industriegeschichte war.
Ich erlebe diesen Innovationsgeist auch heute noch häufig, aber der Ruhrgebietler packt die Sachen gerne direkt an, anstatt große Sprüche zu klopfen.
Ich denke wir müssen auch einfach häufiger und voller Stolz zeigen wie innovativ das Ruhrgebiet ist.
Zahlen, Daten, Fakten
Branche: Produzierende Unternehmen, Maschinenbau, Verfahrenstechnik, Elektrotechnik
Kunden: Unternehmen die ihre Produktions- und Montageprozesse verbessern wollen. Unternehmen die ihre Produkte individueller an die Wünsche des Kunden anpassen möchten. Unternehmen die nach neuen innovativen Geschäftsfeldern suchen.
Finanzierung: 100 % eigenfinanziert
Gründung: Die offizielle Gründung war Januar 2018 nach einer längeren Übergangszeit.
Mitarbeiterinnen: Wir sind im momentan zu dritt, haben aber ein großes Netzwerk von Spezialisten die uns unterstützen.