PhotoEditor SDK: Wie aus einem Side Project ein international erfolgreiches Startup wird
Eigentlich war der PhotoEditor SDK nur ein Nebenprojekt der Bochumer Digitalagentur 9elements. Als sich Kunden wie Amazon für das Bildbearbeitungstool interessierten, wurde das Projekt zum Startup img.ly.
Rund 20 Mitarbeiter arbeiten inzwischen in den frisch bezogenen Räumen des Bochumer Startups. Darunter auch 9elements‘ Co-Founder Eray Basar, der zusammen mit Daniel Hauschildt die Geschäftsführung von img.ly übernommen hat.
Über den internationalen Erfolg des PhotoEditor SDK und wie es zur Ausgründung aus der Agentur kam, darüber sprechen wir mit Daniel im Interview.
Hallo Daniel! Mit Eurem Bildbearbeitungstool PhotoEditor SDK seid international gerade super erfolgreich unterwegs. Was macht Euren Photo Editor so besonders?
Daniel: Wir haben vor ein paar Jahren festgestellt, dass es zwar viele Photoeditoren gibt, die man nutzen kann.
Aber wenn man selbst einen Online-Service oder eine App entwickelt, in die man eine Bildbearbeitung integrieren will – zum Beispiel, um ein Fotobuch zu bauen oder Produktfotos im Onlineshop zu bearbeiten – dann gab es keine fertige Lösung, die man einkaufen konnte.
Die einzige Möglichkeit war, so etwas selbst zu programmieren. Da stellt man dann aber schnell fest, dass das eine sehr aufwändige Angelegenheit ist.
Bei 9elements hatten wir für ein Kundenprojekt selbst nach einer Lösung gesucht, aber nichts passendes gefunden.
Also haben wir angefangen, selbst solch einen Photo Editor zu bauen, der alles hat, was man von typischen Bildbearbeitungsprogrammen kennt: verschiedene Filter beispielsweise, Funktionen zur Bilddrehung, zum Croppen oder um Text und Sticker hinzuzufügen.
Das waren die Hauptkomponenten. Mit der Zeit haben wir das Ganze erweitert, zum Beispiel mit der Möglichkeit, Rahmen zu setzen oder Bildelemente auszuschneiden.
Aktuell arbeiten wir an Typgraphie-Tools, die mehr können als nur Schriftart oder Schriftgröße festzulegen, sondern in Richtung automatisches Layouten gehen.
Unser Tool wird ja nicht von Designern verwendet, sondern von Menschen wie Du und ich, die beispielsweise für ein Fotobuch schnell Bilder hochladen und ein bisschen bearbeiten wollen, ohne drei Jahre Photoshop lernen zu müssen.
Wie kam es dazu, dass auf einmal Kunden wie Amazon anklopften?
Daniel: Angefangen haben wir damals, also vor mehr als drei Jahren, mit einer reinen Weblösung.
Die haben wir zuerst Open Source gestellt, damit auch andere Entwickler sie nutzen können.
Das haben nach und nach auch immer mehr Leute gemacht, bis dann der erste Kunde kam, der den PhotoEditor kommerziell einsetzen wollte: Das war tatsächlich Amazon.
Da haben wir erkannt, dass unser SDK nicht nur ein kleines Tool ist, sondern mehr Potenzial hat.
Das war für uns sozusagen der Startschuss, daraus ein Business zu entwickeln.
Inzwischen bekommt man den PhotoEditor neben einer Variante für das Web auch für iOS und Android.
Wer zählt noch zu Euren Kunden, und in in welchen Bereichen wird Euer SDK eingesetzt?
Daniel: Wir bieten den PhotoEditor momentan ausschließlich als B2B-Lösung an und haben mittlerweile weit über 200 Kunden – von Startups bis zu großen Unternehmen wie Amazon, HP, Shutterstock, Flickr oder auch Disney.
Die Anwendungsgebiete sind eigentlich ganz unterschiedlich.
Angefangen beim eCommerce, wo es darum geht, Produktfotos hochzuladen und zu bearbeiten, über Social Media, wo Nutzer ihre Bilder für verschiedene Banner-Größen zurechtschneiden oder Text und Sticker adden können, bis hin zur Schwedischen Polizei, die Tatortfotos auf dem Handy annotieren und dokumentieren will.
Die nutzen zum Beispiel das Brush-Feature, um etwas zu einzukreisen und zu beschriften.
Bei HP wiederum ist unser SDK Teil der Software für das Druckermodell Sprocket.
Außerdem haben wir viele Anbieter von Fotobüchern wie LALALAB zum Beispiel.
Wie kommt Ihr denn an solche Kunden? Oder kommen die auf Euch zu?
Daniel: Der Großteil der Kunden kommt tatsächlich auf uns zu.
Meistens ist es so, dass ein Unternehmen ein Produkt entwickelt und dafür ein spezielles Feature zur Bildbearbeitung benötigt.
So etwas selbst zu entwickeln, ist den meisten zu aufwändig.
Bei der Suche im Web kommen sie dann mittlerweile ziemlich schnell auf uns.
Bis zu Eurer Ausgründung habt Ihr Euer Produkt bei 9elements entwickelt. Wie funktioniert so etwas neben dem laufenden Agenturgeschäft?
Daniel: Wir haben eigentlich immer nach dem typischen Bootstrapping-Prinzip gelebt. Das was wir eingenommen haben, haben wir sofort wieder in mehr Leute reinvestiert, die sich dann hauptsächlich mit dem PhotoEditor beschäftigt haben.
Man fängt mit der einen Person an, die auch die erste Version entwickelt hat. Als wir dann die ersten Lizenzen verkauft haben, haben wir weitere Leute an die Entwicklung für Web, iOS und Android gesetzt.
So machen wir das bis heute.
Wann hat sich für Euch abgezeichnet, dass Ihr daraus ein eigenständiges Unternehmen macht?
Daniel: Irgendwann stellte sich für uns natürlich die Frage, ob man die weitere Entwicklung in der Agentur lässt oder nicht.
Ab einem gewissen Zeitpunkt braucht man einfach den Fokus und kann das nicht neben laufenden Kunden-Projekten entwickeln.
Außerdem ist Produktbusiness schon etwas anderes als das Agenturgeschäft.
Irgendwann hat es einfach Sinn gemacht, daraus ein eigenes Unternehmen zu gründen.
Vor allem auch, als wir überlegt haben, Investoren mit reinzunehmen.
Das haben wir zwar erstmal nicht gebraucht, aber so haben wir wenigstens die Option.
Ihr seid ja jetzt auch mit einem Team aus der Agentur ausgezogen und habt ein paar Häuser weiter ein eigenes Büro.
Das war bestimmt keine leichte Entscheidung, zumal Eray Basar, der 9elements mitgegründet hat, mit Dir zusammen die Geschäftsführung bei imgly übernommen hat.
Wie seid Ihr an diese Entscheidung herangegangen?
Daniel: Wir hatten schon immer eine gute Führungskultur bei 9elements und haben natürlich viel zusammengesessen und diskutiert, ob wir das mit der Ausgründung machen sollen oder nicht, was es bedeutet, und was es speziell auch für Eray bedeutet, der 9elements 1999 mitgegründet hat.
Wir hatten mit 9elements zwar auch vorher schon kleinere Produkte entwickelt oder Startups wie Employour mit aufgebaut und begleitet.
Aber jetzt nochmal die Möglichkeit zu haben, aus einem eigenen Produkt ein Unternehmen zu machen, das ist für Eray und auch für mich einfach extrem spannend.
Außerdem arbeiten wir mit 9elements immer noch eng zusammen.
Wie hat sich jetzt für Euch der Arbeitsalltag geändert? Was ist beim Startup-Life anders als in der Agentur?
Daniel: Es ist natürlich schon ein Unterschied, ob man sein eigenes Produkt baut oder ob man Produkte für andere entwickelt.
Früher war es ja so, dass wir den Kunden Ideen vorgeschlagen haben, was davon am Ende umgesetzt wurde, entschieden die Kunden.
Jetzt arbeitet das ganze Team gemeinschaftlich an einem Produkt und entscheidet natürlich auch, was umgesetzt wird.
Früher hatten wir vor allem Designer und Entwickler im Team, jetzt ist es so, dass wir auch schon einige Leute für Vertrieb und Marketing dabei haben.
Dann kommen in Zukunft auch mehr Leute aus dem Ausland dazu.
Da hat man dann schon ganz unterschiedliche Charaktere im Team, was sehr spannend ist.
Was steht aktuell an für img.ly und was sind Eure nächsten Pläne?
Daniel: Wir sind zum einen dabei, unser Team aufzustocken und arbeiten zum anderen natürlich weiter daran, das Produkt noch besser zu machen.
Wir beschäftigen uns aber auch ganz klassisch mit Business Development, arbeiten ein paar Ideen aus, evaluieren, wo die Potenziale für die Firma liegen und bauen auch neue Produkte.
Wir haben uns beispielsweise viel mit Deep Learning und Automatisierung beschäftigt und dazu letztes Jahr mit Portrait by img.ly eine App herausgebracht, die mit dem SDK nur sekundär etwas zu tun hat.
Wir wollten damit vor allem testen, wie solche Sachen ankommen. Portrait wurde inzwischen auf mehreren Kontinenten von Apple als App des Tages gefeatured.
Aktuell entwickeln und testen wir auch noch ein paar andere Ideen.
Eure Kunden sind hauptsächlich international, Ihr seid mit Eurem Unternehmen aber in Bochum geblieben. Wäre es nicht besser, in den USA zu sitzen?
Daniel: Auch wenn wir extrem viele Kunden aus den USA haben, sehe ich keinen Nachteil darin, in Bochum zu bleiben.
Der Kundenkontakt konzentriert sich sehr stark auf E-Mail.
Natürlich sind unsere Kunden oft überrascht, weil sie denken, wir sitzen in Berlin. Aber im Endeffekt ist es nicht wichtig.
Vielleicht ist es sogar besser hier zu sein, weil man beispielsweise für angemessene Preise noch Büroräume in guter Lage bekommt.