Vertrieb in Zeiten von Corona – Tipps und Strategien vom Sales-Profi (Interview)

Die Corona-Krise macht es gerade vielen Startups schwer, ihre Produkte oder Services zu verkaufen – egal, ob an Neu- oder Bestandskunden.

Wie kann Vertrieb auch in Krisenzeiten gelingen? Darüber haben wir mit Sales-Profi Dennis Arntjen gesprochen. Dennis ist Experte für die Digitalisierung und Agilisierung des Vertriebs und berät Startups und mittelständische Unternehmen.

Im Interview erfahrt Ihr

  • wie Dennis die Situation des Vertriebs während der Corona-Krise einschätzt
  • wie Vertriebler mit der Situation am besten umgehen sollten
  • welche Skills man im Vertrieb jetzt draufhaben sollte
  • warum Verkaufen per Video so schwierig ist
  • Dennis‘ Killer-Tipp für einen erfolgreichen Vertrieb während der Krise.

Hallo Dennis, was macht diese Situation, in der wir alle gerade stecken, für das Thema „Vertrieb“ so besonders?

Dennis Arntjen

Dass wir uns in einer besonderen Situation befinden, sieht jeder für sich in seinem Alltag. Egal ob wir nun zu denjenigen gehören, die den Vorgaben und dem Rat der Experten zu 100 Prozent folgen oder ob wir uns selber erlauben, das ganze etwas lockerer zu nehmen. Unser Umfeld hat sich von einem Tag auf den anderen radikal verändert.

Wir können uns so gut wie gar nicht mehr persönlich mit anderen Menschen treffen. Dies gilt sowohl für Kontakte innerhalb des Unternehmens als auch für Kontakte zu Kunden und Interessenten.

So gut wie kein Unternehmer und so gut wie keine Führungskraft kann heute sagen, wie das wirtschaftliche Umfeld in einer Woche, einem Monat oder einem Jahr aussieht. Auf dieser Basis Entscheidungen zu fällen, vor allem in langfristiger und strategischer Hinsicht, fällt schwer.

Jeder von uns hat wahrscheinlich mehr oder weniger große Sorgen, was die eigene wirtschaftliche Situation angeht. Das kann lähmend wirken und führt manchmal dazu, dass wir nicht so entscheidungsfreudig sind.

Für Vertriebsmitarbeiter gelten diese Dinge in doppelter Hinsicht. Zum einen treffen sie gerade selber ungerne langfristige Entscheidungen und zum anderen gilt dies natürlich auch für ihre Kunden.

Das ganz besondere an dieser Situation, im Vergleich zu anderen herausfordernden Situationen, ist die Tatsache, dass wir wirklich alle be- und getroffen sind. Niemand kann behaupten, dass er die Auswirkungen nicht spürt.

Wie sollte man in dieser Zeit an den Vertrieb herangehen? Welche Fragestellungen sind da wichtig?

Zunächst einmal geht es jetzt darum, Ruhe zu bewahren. Das gelingt jedem Einzelnen am besten, in dem er seine eigene Lage checkt: 

  • Wie lange klappt es aus Sicht des einzelnen Verkäufers auch ohne Provisionen? 
  • Wo lassen sich Kosten sinnvoll reduzieren? 

Wer als Vertriebsmitarbeiter seinen eigenen finanziellen Background kennt und sich den notwendigen Spielraum schafft, gerät nicht in die Falle um jeden Preis verkaufen zu müssen. Das befreit ungemein.

Dann geht es darum, zu überlegen womit man seinen Kunden gerade helfen kann. Abseits von reiner Verkaufsrhetorik.

„Online-Verkaufsgespräche mit Hilfe von Video zu führen wirkt auf den ersten Blick vollkommen leicht und eingängig. Aber das ist ein Fehler.“

Dennis Arntjen, KMU Digital

Kunden haben in den letzten paar Wochen weitreichende Entscheidungen gefällt und sich hoffentlich auch als Unternehmen den oben beschriebenen Freiraum geschaffen.

Manche dieser Entscheidungen waren hart. Zum Beispiel dann, wenn man seine Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken oder gar einen Teil der Belegschaft entlassen musste. Das belastet in erster Linie emotional. Als Vertriebsmitarbeiter sollte mir dies bewusst sein. Fragen, die man sich stellen könnte, wären:

  • Was hilft meinem Kunden ganz konkret? 
  • Habe ich ein Netzwerk, das unterstützen kann? 
  • Welche Erfahrungen haben wir gemacht, die wir weitergeben können? 
  • Aber auch: können wir dazu beitragen, finanziell zu entlasten und zum Beispiel Rechnungen aufschieben oder Aufträge bei unseren Kunden platzieren, die diesen helfen?

Wenn wir unseren Kunden geholfen haben, dürfen wir auch selber ganz konkret nachfragen und unseren eigenen Spielraum ausloten: 

  • Was glauben unsere Kunden, wie stark sich die aktuelle Krise auswirkt? 
  • Wie sieht ihr Planungshorizont aus? 
  • Was ist mit Verhandlungen, die vor Corona liefen und aktuell pausiert sind? 
  • Ist damit zu rechnen, dass in den nächsten Wochen Bestellungen getätigt werden?

Du siehst, meine Antwort bezieht sich im Wesentlichen auf den Umgang mit Bestandskunden. Denn das ist das Kapital das wir Vertriebler alle hoffentlich haben. Kundenbeziehungen auf Augenhöhe.

Wer jetzt auf die Gewinnung neuer Kunden angewiesen ist, wird es schwer haben. Zumindest dann, wenn er dies vollkommen „kalt“ tun muss.

Vertrieb läuft ja momentan nur remote. Verkaufsgespräche direkt beim Kunden sind kaum möglich. Welche Skills sollten Vertriebsleute beherrschen, wenn sie online verkaufen wollen?

Wie die allermeisten Unternehmensbereiche, erlebt auch der Vertrieb aktuell einen massiven Digitalisierungsschub. Im Wesentlichen würde ich hier drei Bereiche sehen:

  1. Einsatz von Social Media für die Recherche und die Kommunikation, 
  2. Gesprächsführung und verkaufen per Video-Session und 
  3. die effektive Zusammenarbeit im Vertriebsteam aber auch über Abteilungsgrenzen hinweg.

„Wichtig ist, ehrlich zu sein, sich nicht in den Vordergrund zu drängen und auf keinen Fall platte Akquise per Direktansprache durchzuziehen.“

Dennis Arntjen, KMU Digital

Vertriebsleute sind Kommunikationsprofis. Das ist in der jetzigen Situation sehr sehr wertvoll. Denn so beherrscht im Grunde genommen jeder Vertriebsmitarbeiter die Grundlagen dessen was jetzt wichtig ist.

Und dennoch ist einiges anders. Social Media in der Recherche einzusetzen, ist nicht jedem geläufig.

Und auch die Kommunikation mittels Messenger, die Verbreitung von relevantem Content und die Kontaktpflege über LinkedIn oder andere Kanäle ist noch lange nicht in Fleisch und Blut übergegangen.

Wichtig ist hier, ehrlich zu sein, sich nicht in den Vordergrund zu drängen und auf keinen Fall platte Akquise per Direktansprache durchzuziehen. 

Lieber wertvolle Tipps liefern, aus den Gesprächen mit Kunden ableiten, was die eigenen Ansprechpartner brauchen und auch über Social Media die entsprechende Hilfe anbieten.

„Online-Verkaufsgespräche mit Hilfe von Video zu führen wirkt auf den ersten Blick vollkommen leicht und eingängig. Aber das ist ein Fehler.“

Dennis Arntjen, KMU Digital

Online-Verkaufsgespräche mit Hilfe von Video zu führen wirkt auf den ersten Blick vollkommen leicht und eingängig. Aber das ist ein Fehler. Die Kamera und das Mikrofon ersetzen keinesfalls den persönlichen Kontakt. 

Alleine, dass Körpersprache und Blickkontakt fehlen, ist für viele Vertriebsprofis echt schwer. Hinzu kommt, dass der Mensch vor dem Monitor dazu neigt, nach wenigen Minuten abgelenkt zu sein. Den Gesprächspartner zu fesseln und zur Handlung zu animieren ist hier oberstes Gebot!

Und zuletzt der wichtige Punkt der Teamorganisation und Zusammenarbeit. Flurfunk und kurze Wege, an die sich viele Vertriebsleute gewöhnt haben, funktioniert remote nur schwer. Hier sind Führungskräfte genau so gefragt wie jeder einzelne Vertriebsmitarbeiter.

Rahmen schaffen, Meetings organisieren, motivierendes Vorbild sein und klare Kommunikation sind hier wichtig. 

Aber noch viel wichtiger: Vertrauen und den Selbstorganisationsfähigkeiten des Teams den Raum geben, der für die Entfaltung notwendig ist.

Das sind jeweils dicke Bretter, die hier gebohrt werden müssen. Keine einfachen Zeiten.

Zum Schluss, Dein Killer-Tipp für einen erfolgreichen Vertrieb während der Corona-Krise?

Die nächsten Wochen und Monate werden hart. Eine Prüfung, die noch keiner von uns so erlebt hat.

Deshalb:

Haltet euch den Rücken frei, nehmt den negativen Druck raus, behaltet einen klaren Kopf.

Diejenigen Unternehmer und Vertriebsleute, denen das gelingt, sind die die am Ende die Nase vorne haben.

Geschrieben von
carmen
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Geschrieben von carmen