Streaming-Startup soccerwatch.tv überträgt Amteurfußball-Liga
Lang erwartet gab es am vergangenen Wochenende den Startschuss für die Fan- und Streamingplattform soccerwatch.tv. Das gleichnamige Essener Startup will damit dem Amateurfußball bis hinunter zur Kreisliga endlich eine große Bühne bieten. Und ganz ehrlich, kann man einen spektakuläreren Start hinlegen als mit einem Torhagel in Bottrop?
Erster Prototyp aus dem Baumarkt
Die Idee zu der Plattform entstand aus eigenem Bedarf. Thomas Harmes, Gründer des Duisburger Startups Mifitto, konnte vor lauter Arbeit mal wieder nicht zu den Fußballspielen seiner Söhne und fragte sich, wieso da eigentlich keiner mal eine Webcam aufhängt, damit er sich die Spiele wenigstens aus der Ferne anschauen könnte? Daraufhin setzte er sich mit seinem Kumpel Georg Moser und dessen Tüftler- und Bastler-Team vom Essener Startup Vierkant zusammen, um sich eine Lösung zu überlegen.
Für einen Prototypen ging es dann in den Baumarkt. „Wir haben uns eine Plastikbox gekauft, Fenster reingeschnitten, ein paar Kameras reinhängt, ein Stromkabel vom Fußballplatz über den Parkplatz verlegt, dann erst mal manuell Regie führt und das ganze auf Youtube streamt“, beschreibt Georg Moser die ersten Schritte. „Dann haben wir den Leuten vom Verein Bescheid gegebem und uns gewundert, dass gleich ein paar Hundert Leute da reingeklickt und sich das Gekicke angeguckt haben.“
Idee mit Potenzial zum Startup
Schnell war klar, die Idee hat solches Potenzial, dass es sich lohnt, ein Unternehmen daraus zu gründen. So entstand soccerwatch.tv. „Bis zu 60.000 Partien gibt es im deutschen Amateurfußball an jedem Wochenende. Bisher werden aber rund 99 Prozent der Spiele nicht übertragen“, sagt Jan Taube, Mitgründer von soccerwatch.tv. „Wir sehen deshalb für eine Live-Streaminglösung ein sehr großes Potenzial“, ergänzt Georg Moser, Geschäftsführender Gesellschafter von soccerwatch.tv.
Eigenes vollautomatisches Kamerasystem entwickelt
Um eine breitenwirksame Übertragung zu ermöglichen hat das Startup ein vollautomatisches Kamerasystem entwickelt, das die Spiele vom Flutlichtmast aus mit einem 180-Grad-Blickwinkel aufnimmt. Dabei schaltet sich die Kamera bei Spielbeginn automatisch ein und überträgt das Spiel live ins Internet. „Das sieht dann so aus, als ob dort ein Kameramann sitzt“, sagt Jan. „Das System schwenkt und zoomt, damit die ganze Spielszene immer im Blick ist.“
Nach dem Spiel wird automatisch ein Zusammenschnitt der Highlights erstellt. „Sein wir mal ehrlich: Kreisliga C, 90 Minuten kann schon zäh sein“, sagt Jan, „aber ein 3-4 Minuten Highlight Cut schaut sich jeder gern an, besonders natürlich wenn man persönlich mit dem Verein involviert ist“. Ob als Highlight-Cut oder in voller Länge live oder on-demand, die Spiele können über die Plattform nicht nur auf allen Geräten angeschaut, sondern auch über Social Media geteilt werden.
Kein Aufwand für die Vereine
Die Technik dahinter ist eine vom Soccerwatch-Team eigens entwickelte Kombination aus Hard- und Software. „Für uns war es von Anfang an wichtig, ein Kamerasystem zu entwickeln, mit dem der Verein keinerlei Aufwand hat“, sagt Jan. Den einzigen Schritt, den der Verein leisten muss, ist, sich mit Soccerwatch in Verbindung zu setzen. Dann geht alles ganz schnell: „Innerhalb von einer Woche ist so ein System gefertigt, installiert und einsatzbereit“, sagt Georg.
Die Installation – idealerweise am Flutlichtmast auf Höhe der Mittellinie – übernimmt das Soccerwatch-Team selbst. „Man muss auch nichts aufbuddeln oder Bauanträge schreiben“, betont Georg. Auch um die Wartung muss sich der Verein nicht kümmern. „Das Gehäuse ist wetter- und vandalismusfest. Darüber hinaus haben wir ein Spezialpolymer verwendet, was mittelharte Ballangriffe abwehren kann“, erklärt Georg. Übertragen werden die Spiele über LTE ins Internet, wo sie in HD-Qualität gestreamt werden.
Bonus für Vereine: Trainertool zur Spielanalyse
Zusätzlich zur Installation und Übertragung der Spiele bietet Soccerwatch den Vereinen als weiteren Mehrwert ein ebenfalls selbst entwickeltes Trainertool an. „Damit kann sich der Trainer die Fußballspiele im Nachgang anschauen, bestimmte Sequenzen markieren und diese dann der Mannschaft zeigt, damit man sie verbessert“, sagt Jan Taube.
Vereine werden an Werbeeinnahmen beteiligt
Das ganze übrigens kostet die Vereine so gut wie nichts. „Im Gegenteil“, sagt Jan, „wir bieten den Vereinen sogar eine zusätzliche Einnahmequelle“. Die monatlichen Nutzungskosten von 8,90 Euro werden mit Werbeeinahmen verrechnet. Das Geschäftsmodell von Soccerwatch basiert nämlich auf der Vermarktung der Fußballspiele. Die Vereine werden bis zu 50 Prozent an den Werbeeinnahmen beteiligt. 10 Prozent gehen an den Verband. „Unsere Kostenstruktur ist sehr günstig, sodass wir in der Lage sind, diesen Teil abzugeben und auch runter in die untersten Ligen zu gehen und diese zu übertragen“, sagt Jan. Auch für den Endnutzer entstehen keine Kosten.
Adesso investiert, Vodafone liefert LTE
Bei der Entwicklung und Umsetzung der Technologie wurde soccerwatch.tv von Vodafone und adesso, die bei der Realisierung auf die Cloud-Plattform Microsoft Azure setzen, unterstützt. Adesso hat zudem einen einstelligen Millionenbetrag in das Essener Startup investiert. Vodafone stellt die LTE-Technologie für die Datenübertragung in HD-Qualität.
Ab Januar 2018 bundesweiter Rollout
Nach der ersten Testphase mit 10 Vereinen will das will das Startup bis Ende des Jahres 50 Kameras in der Region installiert haben. Im Januar soll dann der deutschlandweite Rollout starten. „Aus ganz Deutschland – und sogar auch aus dem Ausland – haben Hunderte Vereine bei uns angefragt. Wir haben daraufhin noch einmal das Tempo erhöht und installieren mehr Kameras als ursprünglich geplant“, sagt Georg. Bis Ende 2018 sollen 1000 Kameras auf deutschen Plätzen hängen.
Fußball ist erst der Anfang
Doch das inzwischen 25-köpfige Team denkt schon weiter. Auch andere Sportarten soll das Kamerasystem in Zukunft streamen. Als ehemaliger Eishockey-Profi hat Jan Taube da seine eigene Sportart im Visier: „Mit Eishockey beschäftigen wir uns schon ganz konkret und schauen, wann wir da einsteigen.“