Von Carmen Radeck
Erfahrungsberichte und echte Gründergeschichten stehen hoch im Kurs beim Gründerpublikum im Pott. Das haben gleich zwei Events in der vergangenen Woche gezeigt: Die von den Wirtschaftsjunioren Dortmund/Kreis Unna/Hamm organisierten „Ruhrpottlegenden“ und der Gründerstammtisch Bochum. Beide Events setzten auf Startup-Erfahrungen live on stage und sorgten für volle Häuser.
Ruhrpottlegenden – Vier Gründer und ihre Geschichten, Tipps und Learnings
Rund 100 Besucher kamen am Samstagmorgen zu den „Ruhrpottlegenden“ ins The View, ganz oben im Dortmunder U, um zu hören, wie vier Gründer aus dem Pott aus ihrer Vision ein funktionierendes Geschäftsmodell wurde und welche Stolper- und Meilensteine sie auf dem Weg dorthin gemeistert haben.
Dabei war den Veranstaltern eine spannende Mischung gelungen: Neben Seriengründer und mit allen Wassern gewaschener Startup-Profi Mohammadi Akhabach, der unter anderem Lieferhelden mitgründete, waren die beiden Gründer von Urlaubsguru dabei, Daniel Marx und Daniel Krahn, für die ihr Erfolg eher einer großen Überraschung gleichkommt und Rent-a-Guide-Gründer Florian Ziegler, der trotz prämierten Businessplans ganz früh feststellen musste, dass es für sein Geschäftsmodell noch gar keinen Markt gab.
Lieferheld-Mitgründer Mohammadi Akhabach: Brennen allein reicht nicht
Den Anfang macht Mohammadi Akhabach, Gründer von Deutsche Seniorenwerbung und Mitgründer von Lieferheld, der zwar einen etwas sprunghaft-chaotischen Vortrag ablieferte, aber nichtsdestotrotz einen spannenden Einblick in die Gründermentalität in Berlin lieferte – das „Haifischbecken“, wo vor allem „Performance“ der Teammitglieder zählt – erklärte, warum nicht jeder Gründer einen schnellen Exit anstrebt und worin die Vor- und Nachteile einer nachhaltigen Unternehmensstrategie liegen und Erfahrungen und Tipps weitergab zu Themen wie der Wahl der Teammitglieder oder dem Umgang mit Fremdkapital und Investoren.
Mohammadis Tipps und Learnings für angehende Gründer:
- Brenne so hell, dass es leuchtet
- Brennen allein reicht nicht
- Teammitglieder müssen performen – deshalb lieber nicht mit Freunden gründen, weil sonst die emotionale Bindung der Professionalität im Weg stehen könnte
- Fokussiert Euch auf euer Businessmodell! Lieber spitz als breit – die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht
- Wenn ihr fremdes Geld ausgebt, also das der Investoren, behandelt es/lebt es, als ob es euer Geld wäre
- testen testen testen! lieber Piloten fahren, als ewig das Produkt zu perfektionieren
- geht raus, netzwerkt, redet – aber nicht zu laut bellen
Die beiden Daniels von Urlaubsguru: Vom kleinen WordPress-Blog zum erfolgreichen Startup
Schönes Kontrastprogramm zu Vollprofi Mohammadi waren dann die beiden Daniels aus Unna, Daniel Marx und Daniel Krahn, die mit Urlaubsguru eines der erfolgreichsten Startups in Deutschland geworden sind.
Aus einer Idee beim Bierchen auf dem Balkon hat sich inzwischen ein erfolgreiches Unternehmen entwickelt, das die beiden UN-IQ genannt haben mit neuem Sitz in Holzwickede. Dass ihr „kleiner WordPress-Blog“ so einschlug wie eine Bombe hatten die beiden anfangs gar nicht auf dem Schirm, als sie neben ihren festen Jobs während der Mittagspausen und nach Feierabend an ihrem Startup werkelten. Er sollte bloß ihre Miete zahlen. Heute zahlen sie die Miete von rund 100 Mitarbeitern, haben einen eigenen Feelgoodmanager und holen sich Leute von Facebook zur Schulung ihrer Mitarbeiter.
Von Exit wollen die beiden jedenfalls nichts wissen, sie setzen auf einen nachhaltigen Unternehmenserfolg und Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern. Die sollen neben der Arbeit auch Spaß haben. Auch auf Fremdkapital sind die beiden Urlaubsgurus nicht angewiesen. „Wir investieren nur den Euro, den wir vorher auch verdient haben“, erklärt Daniel Marx ihre Strategie.
Learnings der Urlaubsgurus:
- Ohne Fleiß keinen Preis
- Gucken, was die Leser/Kunden wollen und was ihnen wichtig ist
- die Technologien der Zeit nutzen und für seine Zwecke einsetzen
- nur den Euro investieren, den man vorher verdient hat
- mit Freunden zu gründen funktioniert
Rent-a-Guide-Gründer Florian Ziegler: Sexy Produkte, aber kein Markt
Als Dritter im Bunde der Ruhrpottlegenden erzählte Florian Ziegler, Gründer von Rent-a-Guide, wie er schon sehr früh sein Geschäftsmodell anpassen musste, um mit sich mit seinem Startup nicht nur beim Businessplan-Wettbewerb erfolgreich zu sein, sondern auch am Markt. Das gestaltete sich schwieriger als erwartet. Mit der Idee, persönliche Guides für Erlebnisurlaube zu vermitteln, gewann das Team beim Gründerwettbewerb Senkrechtstarter und erhielt Fremdkapital zur Startfinanzierung.
Doch im ersten Monat konnte das Startup nur eine einzige Buchung verzeichnen. Für weniger als 50 Euro. Die frühe, etwas bittere Erkenntnis: Der Markt war noch nicht reif war für ihre Idee. „Unsere Produkte waren sexy, wir waren arm – keine gute Kombination“, fasst Florian die Situation zusammen.
Mit dem ersten Kooperationspartner berlin.de zeichnete sich dann aber ab, dass individuelle Stadtführungen gut liefen. Das führte allerdings dazu, dass das Team sein gesamtes Geschäftsmodell, das ja auf wesentlich höhere Einzelumsätze ausgelegt war, anpassen musste. “Viele Gründer halten an ihrem Geschäftsmodell fest, und gehen dann pleite.” Um zu überleben, stellten sich für Rent-a-Guide die Fragen: Was gibt der Markt her und wovon muss ich mich trennen?
Um nicht wieder am Markt vorbei zu entwickeln gingen sie den Weg, den auch Mohammadi schon rät: Lean handeln und testen testen testen!
Florians Tipps und Learnings:
- Prozesse aufbauen – je früher desto besser. Gerade, wenn ein Teammitglied oder Mitarbeiter von Bord geht, ist so die Gefahr ausgeschlossen, dass mit ihm auch das Wissen weg ist.
- Kundenbedürfnisse erkennen
- Lean handeln und testen! Gerade bei neuen, innovativen Ideen und begrenztem Budget. Ausprobieren, ob es funktioniert, ob der Markt da ist. Das schont Ressourcen.
- Fristen setzen! “Funktioniert bei mir auch nicht perfekt“, gibt Florian zu, ist aber wichtig. Gerade wenn es um Investorgen geht. “Das ist schwer”, aber wenn man zu lange wartet, geht man pleite.
- „richtig“ finanzieren
Der Gründerstammtisch Bochum zu Gast bei Employour. (Foto: Holger Manzke)
Business-Fuckups beim Bochumer Gründerstammtisch
Um Learnings ging es auch beim Bochumer Gründerstammtisch Bochum, der diesmal zu Gast war in den Räumen des Bochumer Startups Employour, das sehr erfolgreich die Karriereplattformen meinpraktikum.de und ausbildung.de betreibt. Statt der üblichen Vorstellungsrunde gab es diesmal eine kleine Präsentationsreihe, in der ein paar mutige Gründer ihre größten Businessfehlschläge ganz im Stil der Fuckup Nights präsentierten. Besonders dick kam es für die Startups Priamo und das Bochumer Wein-Event “Weine vor Glück”.
Priamo: Die Abmahnung
Ihren langsamen, aber stetigen Aufstieg und den plötzlichen und kolossalen Abrutsch präsentierte Bianca Schiffer, die zusammen mit Carina Huvers das Getränke-Label Priamo gründete.
Die beiden Marketing-Absolventinnen entwickelten mit Priamo ein eigenes Lifestyle-Getränk und machten am Anfang eigentlich alles richtig. Zwar kannten sie sich mit Lebensmitteln selbst nicht aus, holten sich deswegen von Anfang an Partner mit ins Boot. Mit ihrem Produkt gingen sie noch in der Entwicklungsphase auf den Markt, testeten, verbesserten, holten sich weitere Partner an Bord. Das Marketing übernahmen sie selbst, putzten Klinken, präsentierten sich auf Messen, die Presse wurde aufmerksam, RTL Fernsehen berichtete, was am folgenden Tag für einen Bestell-Rekord sorgte.
Doch nicht nur Bestellungen kamen, sondern auch eine Abmahnung eines Mitbewerbers. Der Vorwurf: Ihr Getränk war auf dem Etikett falsch deklariert. Das bedeutete das vorläufige Aus für die beiden Gründerinnen: Alle ausgelieferten Flaschen mussten zurückgerufen werden, voller Vertriebsstopp. Aufgegeben haben sie aber nicht: Nächsten Monat geht Priamo wieder auf den Markt – mit korrekter.
Biancas Learnings:
- Die beiden waren “zu nett und zu euphorisch” und haben zu leichtgläubig auf die Aussagen des Handelspartners vertraut, ohne es noch mal prüfen zu lassen.
- Zu schlecht vorbereitet auf eine Krise
Weine vor Glück: Die einstweilige Verfügung
Ein ähnliches Erlebnis hatte Stefan Gerth, der neben seinem Startup Die Bewerbungsschreiber auch beim Weinfestival „Weine vor Glück“ eingestiegen ist. In seiner Präsentation zeigt er den rund 50 Stammtischbesuchern, wie eine einstweilige Verfügung aussieht.
Gleich zwei Mal hatten die Veranstalter Pech mit dem Namen ihres Wein-Events. Sowohl „Vinolucion“ als auch “Weine vor Glück” stellten sich als schon besetzt heraus, allerdings jeweils erst wenige Wochen vor Veranstaltungsbeginn. „Es ist nicht so, dass wir nichts geprüft haben“, sagt Stefan, “wir waren nicht total dämlich”. Mit normalen Suchtools war es aber einfach nicht festzustellen.
Stefans Learnings und Tipps:
- denkt euch Kunstnamen aus
- lasst alles prüfen
[…] Problem. Jede Stadt kocht ihre eigene Suppe. Das habe ich neulich wieder gemerkt, als ich auf einer Veranstaltung von den Wirtschaftsjunioren in Dortmund war. Da wird nicht der Pott gelebt, sondern […]